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Geschälte Würstchen und Filetorangen

Als junge Frau hatte die große rote Frau nur drei Dinge im Kopf:
1. Spaß
2. Disco und
3. Geldverdienen.
Irgendwie mussten Punkt eins und zwei ja finanziert werden und weil Rotfrau schon immer schlau war, verband sie das Geldverdienen gleich mit der Disco. Je nach Bekleidung war der Spaß und das Geldverdienen mehr oder weniger. Und selbiges wiederum korrelierte mit dem Mehr oder Weniger der Bekleidung: je tiefer der Ausschnitt, desto mehr Trinkgeld. Am meisten Trinkgeld bekam ich allerdings immer, wenn ich die schwarzen Chiffonbluse anhatte. Vorne reichlichstenst bestickt und daher völlig blickdicht, aber der Rücken war „frei“. Ein schöner Rücken kann offenbar entzücken und genauso entzückend war nach der Abrechnung auch immer mein Geldbeutel 🙂
An mein Studium erinnere ich mich eigentlich nur noch insofern, als dass ich am Freitagmorgen immer todmüde in den Seminaren erschien und mich auf die Wochenenden freute. Erst ausschlafen und dann ordentlich zuschlagen. Einmal arbeiten, zweimal Geld ausgeben. Wann ich die unzählbaren Seminararbeiten getippt habe, weiß ich gar nicht mehr. Vermutlich aber von Montag bis Mittwoch. Donnerstag arbeiten, Freitagmorgen müde usw. Am schlimmsten waren die Freitagmorgen, wenn ich zu den Praktika in die Schule musste. Bis vier arbeiten. Heimfahren. Um halb sieben wieder aufstehen und zur Schule fahren. Grauenvoll, aber wie gesagt, Spaß war mir sehr wichtig. So ein Leben zehrt und die Wochenenden kosteten mich jedes Mal ein bis zwei Kilos, die ich von Montag bis Donnerstag wieder anfraß. Selber kochen? Wieso? Gibt Mc Würg.
Als ich von zu Hause auszog, schenkten mir meine Eltern ein Kochbuch. Sogar mit Anleitung zum Eiertrennen. Kochen für Volldummies.
Als sich das Examen näherte, kündigte ich meinen Job und verbrachte nicht mehr ganz soviele spaßige Wochenenden. Es fehlte ja schließlich Punkt 3. Ohne Geld weder endlos Spaß in den Nachttempeln, noch Mc Würg rund um die Uhr.
Rotfrau, damals reichlich schwarz überfärbt, musste also Kochen lernen.
Angefangen hat die Kocherei mit den chemischen Tütchen von KNURR. Immer öfter begann ich aber deren ominöse Ingredienzien zu entschlüsseln und entfernte mich immer mehr davon.
Rotfrau kann kochen, sag ich Ihnen! KNURR gibt es nicht mehr. Und ein Packerl Gemüsebrühe (ohne Glutamate und Hefen) hält hier eine gefühlte Ewigkeit. Salz, Pfeffer Gewürze und Kräuter schlängeln sich um frische Zutaten, welche mit reichlich viel „Mmmmh“ und „Oooooh“ in den Bäuchen verschwinden.
Die Herren Krawallos sind auch schon zu kleinen Gourmets herangewachsen. Mc Würg? Schmeckt ned. Imbissbude? Schmeckt ned. Am allerliebsten „Mama gut kocht!“ bittesehr.
Selbst schuld, Mama.
Nun hast es.
Der große Preußenbayer musste hier in Dänemark (sic!) einmal ein Chili mit KNURRpackerl essen, weil die Gewürzpalette eingelagert war und Rotfrau sich weigerte, für die Zeit im Ferienhaus eine ganze Küchenausstattung ranzuschaffen. Die strafenden Grimassen des Erstgeborenen reichten von „Bäh!“ bis zum vorwurfsvollen „Wie kannst du nur, Mama!“. Dosengerichte und Fertigsuppen verweigern sogar schon die kleinen Winzlingsmänner!
Und weil sie so verwöhnte Bengel sind, essen sie Orangen nur filetiert und die Wiener nur geschält.
Ich sollte meine Chiffonbluse suchen gehen.
Dann gäb´s vielleicht wenigstens mal ein Trinkgeld für das Personal.

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Ich bin Marion und schreibe in unserem Onlinemagazin Meermond zu den Themen Reisen, Fotografie, Kultur und unser Leben in Skandinavien.

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