Familienchaos

Hurra! Ich bin modern!

Na, wer hätte sich das jemals gedacht, dass ich einen neuen Trend schon erfunden habe, bevor man ihn im Netz als solchen erkannt hat!

Nein, die große rote Frau hat keinen Vogel, sie ist Mutter von zweijährigen Zwillingen.

Rotfrau betreibt „Mini-Cooking“.

Vor ein paar Tagen bin ich auf sehr belustigende Bildchen aufmerksam geworden. Winzige Tellerchen, Gäbelchen und Törtchen begeistern immer mehr Menschen. Es wird liebevoll gekocht und gebacken, aber halt nur in Miniaturausgaben! Und mit ebenso winziger Gerätschaft werden Miniaturausgaben erzeugt und verzehrt. Und es erfreuen sich offenbar immer mehr Hobbyköche an diesem Trend. So putzig und so süß.

So albern.

Für mich ist das ein Spiegel einer überfressenen, gelangweilten Zivilisation, die damit begonnen hat, mit Lebensmitteln zu spielen. Nur satte Menschen kommen auf derartige Ideen. Natürlich steckt hinter dem Vorgang des Kochens immer eine gewisse Liebe zum Essen – sowohl aktiv als auch passiv.

Aber.

An alle Miniaturköche:

Reisen Sie doch mal mit Miniküche und Minifood in ein Dorf in der Sahelzone – ich schlage Ihnen beispielsweise spontan eine ländliche Umgebung von Timbuktu im April vor – und versuchen Sie den Menschen dort zu zeigen, mit welcher Hingabe Sie sich mit Essen beschäftigen können. Glauben Sie wirklich, dass Ihre hungrigen, auf Regen wartenden Gäste sich darüber freuen, wenn Sie viele Stunden für eine Miniatur von Satt gebraucht haben? Ich denke, man wird Ihnen Minitörtchen und Ministeak um die Ohren schlagen. Vorsicht vor den nachgeworfenen Gäbelchen! Und von den weiter östlich gelegenen Regionen rate ich unbedingt ab!

Seit meine Zwillinge selbstständig essen, bedaure ich den rapide angestiegenen Lebensmittelverlust in meinem Haushalt. Es landet sehr viel Essen auf dem Boden oder grauenhaft zermanscht im Müll. Mittels winziger Schüsselchen versuche ich den gierigen Kindern („Meeeehr!“) eine riesige Portion vorzugaukeln. Sie wollen nämlich immer „Meeeehr!“, obwohl sie doch soviel gar nicht essen können/wollen! Beim Kochen bemühe ich mich sehr um exakte Portionen, lieber zu wenig als zu viel, nur um ihnen zu zeigen, dass der Topf jetzt leer sei, wir alles aufgegessen haben und schon sehr artig waren. Wer tatsächlich noch Hunger hat, der darf Obst oder Nachtisch haben. Seltsamerweise sagen die Kinder dann urplötzlich „bin satt!“

Alles wird in winzige Stückchen geschnitten und gestern Abend erwischte ich mich dabei, dass ich beinahe den armen Ritter, den ich dem wundervollen großen Mann geben wollte, auch in Stückchen geschnitten hätte. Ein genervtes „Meeehr Nachtisch!“ macht doch etwas nervös…

Ach, wie schön war das, als der Preußenbayer vor gefühlt ewigen Zeiten damit angefangen hatte, seine Lebensmittel selbst zu schneiden. Keine Schnitzelstücke, kein Butterbrotwürfel und keine Orangenfilets mehr. Obwohl, die mag er immer noch 🙂

Ich bin sogar schon so modern, dass mich der moderne Trend schon wieder nervt. Weg vom Ministückchenessen zurück zu normalen Portionen ohne das ewige „Meeeehr!“, das dann doch auf dem Boden herumliegt. Ich freue mich darauf, endlich wieder in Ruhe und ohne den ständigen Seitenblick zum noch übenden Kleinkind essen zu können. Ohne Stückchen und mit normalem Essgeschirr.

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Ich bin Marion und schreibe in unserem Onlinemagazin Meermond zu den Themen Reisen, Fotografie, Kultur und unser Leben in Skandinavien.

7 Comments

  • Silberkopf

    Genau..mit Essen spielt man nicht..also ich esse das lieber!
    Aber unser Enkel..so schnell schaust du gar nicht, wie der damit „Friseur“ spielt, haha und zwar immer dann, wenn ihm der Sinn nach einem Bad steht.
    Schnell etwas Tomatensoße oder Joghurt ins Haar geschmiert und schon geht es ab ins Bad. Super geplant!
    Aber der ist ja auch noch sehr klein..ähhm..jung und weiß es nicht besser.
    Und ich kriege auch das ko..en, wenn ich so „Bastelvorschläge“ für z.B. ausgestochene Toastbrotscheiben sehe. Hä, und der Rest vom Brot?
    Also wenn man ca. 25 Toastscheiben ausstechen würde, hätte man mit dem Rest genug für einen schönen Auflauf, so mit Ei und Milch, mir fällt der Name grade nicht ein.
    Aber nur damit die Kinder ein ansprechendes Toastbrotgesicht zu essen bekommen, den Rest wegwerfen..Hallo?
    Ich glaub ich spinne.
    Und es kommen ja noch die Reste der Radieschen für die Augen und Reste der Gurke für den Mund und das Eigelb, weil für die Ohren braucht man ja nur Eiweiß. AAAAAAAhhhhhhhh!

    Kind hat Hunger oder nicht, tja dann halt nicht. Es wird über Nacht nicht verhungern.
    Nur vielleicht die Eltern etwas nerven, aber wer die Eltern noch nerven kann, ist weit entfernt vom Verhungern.

    Ausnahmesituation: Ein krankes, zartes und leichtgewichtiges Kind. Da kann man schon eine Kleinigkeit basteln, da tut es aber auch mal ein schöner Schokopudding mit Gesicht aus Vanillesoße!

    Ich bin zu alt für diesen Sch…(Schmarrn) Punkt!

    Solange wir keine anderen Sorgen haben, geht es uns ja echt richtig gut oder?

  • motessa

    geht mir auch so. Deshalb gibt es bei uns keine Salzteigbasteleien, Ketten aus Makkaroni oder Bilder mit aufgeklebten Lebensmittel. Ich habe mich auch mal ertappt, wie ich das Essen von meinem Mann kleinschneiden wollte…

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