Leben in Dänemark

Velkommen til Danmark, Welt!

Wenn man bei unseren südlichen Freunden im überfüllten Bus ein freundliches „Ciao, Bella!“ ins Ohr geflüstert bekommt, greift man automatisch an seine Handtasche und hält sie zu. Wenn man als alleinerziehende Mama mit Kind einen Zelturlaub plant, klammert man das westliche Atlantikland automatisch als Reiseziel aus. Wenn man östliche Landschaften mit dem Auto erkundet, verzichtet man auf das Cabrio aus den 60ern, welches man nicht so gut absichern kann.

Man muss gar nicht böswillig oder argwöhnisch sein, aber es ist einfach so, dass sich ein derartiges Verhalten als empfehlenswert eingebürgert hat. Man mag die jeweiligen Länder und Menschen trotzdem und verreist weiterhin fleißig, aber man richtet auf örtliche Begebenheiten und „Gepflogenheiten“ ein. Jedes Land hat seine eigene Kultur und seine eigene Art zu leben. Miteinander zu leben. Andere persönliche Grundeinstellungen.

Dänemark ist sehr konservativ. Man respektiert einander und achtet fast schon übertrieben darauf, dass jeder gleich ist und gleich behandelt wird. Man will weder aus der Masse herausstechen, noch irgendwas tun, was man einfach nicht tut! Konservativ-philanthrop. Uns gefällt das sehr gut und deswegen fühlen wir uns hier auch so wohl!

Vor vier Jahren machten der Preußenbayer, der wundervolle große schwarze Mann und ich einen Ausflug nach Skagen. Als wir zurückkamen, bemerkten wir, dass die Terrassentür sperrangelweit offen stand. Voller Entsetzen rannten wir durch das Ferienhaus und fanden alles so vor, wie wir es hinterlassen hatten. Inclusive des Umschlags mit dem Reservegeld. Einfach typisch Dänemark. Hier wird nicht geklaut, man macht das nicht. Ein Däne tut oder tat das nicht.

Umso erschrockener war ich heute Vormittag, als unser Nachbar Poul läutete und mir mitteilte, bei dem alten Ehepaar zwei Häuser weiter sei eingebrochen worden. Mitten am Vormittag! Er umrundete mit mir das Haus und prüfte unsere Kellerschächte, die Kellertür und das große Flügelfenster. Er war sichtlich erschüttert und teilte mein großes Entsetzen.

In Bayern waren wir es gewohnt, sorgfältig auf unser Daheim aufzupassen. Sogar in unserem Kuhkaff wurden kurz vor unserer Auswanderung die Autoschilder von einem an der Durchfahrtsstraße parkenden Auto abgeschraubt. Die wie Pilze aus dem Boden sprießenden, fragwürdigen Autohändler fraglicher Herkunft veranlassten so manchen dazu, die vollgestellte Garage wieder zu entrümpeln und für das eigene Auto frei zu machen.

Wir haben hier unsere Garage schon öfter offen stehen lassen. Und der wundervolle große schwarze Mann hat vor ein paar Tagen sogar vergessen, die Haustüre abzuschließen. Klar, wir haben sofort kontrolliert und uns über unser Versehen geärgert, aber die Tatsache, in Dänemark zu leben, konnte uns immer wieder beruhigen.

Jetzt darf uns das nicht mehr passieren.

Das Denken der „Welt“ ist in Dänemark angekommen und mit ihr offenbar auch ein anderes Verständnis vom privaten Eigentum. Es interessiert mich nicht, wer das gemacht hat und welche Nationalität der Einbrecher hatte. Es spielt keine Rolle für meine Enttäuschung ob der Feststellung, dass man auch in Dänemark damit beginnt zu klauen.

Anmerkung: Rechtsradikale Bemerkungen oder Stammtischparolen in den Kommentaren werden wortlos gelöscht.

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Ich bin Marion und schreibe in unserem Onlinemagazin Meermond zu den Themen Reisen, Fotografie, Kultur und unser Leben in Skandinavien.

7 Comments

  • puenktchenundwortgestoeber

    Hallo Meermond,
    vielleicht hast Du Glück und es war nur eine Ausnahme.. Ich finde es toll, das Dänemark so konservativ ist,würde ich mir hier auch wünschen, ist eben nicht so. Aber so ein Wunderland kann es auch nicht sein, weil die haben auch ein Strafgesetzbuch, Gefängnisse,die Kripo und die Strafjustiz und das alles ganz sicher nicht nur fürs“falsch parken und zu schnell fahren“Trotzdem kann ich Dich verstehen, das ist eindeutig nicht schön.
    Liebe Grüße Wortgestoeber

  • die kurskollegin

    Schade, auch Nordjütland wird von der Realität eingeholt. In den Ferienhausgebieten wird man auch immer vor Einbrechern, die anscheinend vorzugsweise Kastenwagen fahren, gewarnt. Das haben wir bisher immer milde belächelt – wir sind ja in Dänemark. Aus dem offenen Ferienhaus ist uns auch noch nix entwendet worden, dafür wurde unserem großen Kleinen in einem Museum die Kamera quasi aus der Hand geklaut. Gerade noch da, in der nächsten Minute spurlos verschwunden. Das ganze Museum war voller nicht dänischer Familien… Die einzigen Dänen – ein älteres Paar und die Kassiererin – haben suchen geholfen. Ohne Erfolg. Das konnten sie irgendwie gar nicht verstehen.

    • meermond

      Schade.
      Eine Erinnerung aus meiner frühen Kindheit war dieser Satz von Daugny, einer dänischen Bekannten: „Das müssen aber andere deutsche gewesen sein. Wir klauen nicht.“
      Meine Mama erzählte ihr, dass man ihr am Strand die Badeschuhe geklaut hatte.
      Tja.

  • altesweibsbild

    Wie schade, gerade wenn ihr es doch in der neuen Heimat habt schätzen lernen können, offene Türen oder eben einfach den Respekt vor dem Eigentum anderer 🙁
    Wie schwierig aber muss das für die Nachbarn erst sein, die es ja ein Leben lang nicht anders kannten.

    Liebe Grüße *winkt*

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