Leben in Dänemark

Das Gadefest

Eigentlich ist der Name ja verkehrt, denn eine „Gade“ habe ich immer als eine größere Straße kennen gelernt, die in in eine andere mündet. Also eine Art Verbindungsstraße, Querstraße oder ähnliches. Wir wohnen in einem Vej. Und selbiger ist eine Sackgasse. Alle Sackgassen, die ich kenne, heißen hier in Nordjütland „…vej“.

Dennoch feierte unsere Straße ein >Gadefest< im überdachten Carport der netten Alten von schräg gegenüber. Endlich hat die große rote Frau die unheimlichen Nachbarn von links kennen gelernt. Er war zauberhaft und sie kann vielleicht nett sein, was ich aber aufgrund völliger Verständislosigkeit (wie kann man nur in einem derart hohen Tempo sprechen, ohne dabei seine Zunge zu verschlucken?) und einer eingefrorenen Gesichtsmimik bis auf Weiteres nicht beurteilen kann. Die Frau war etwa in meinem Alter und versuchte zwar, sowas wie ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern, aber es gibt Menschen, bei denen lächeln weder Augen noch das restliche Gesicht mit. Zumeist habe ich nur ein „professionelles“ Verhältnis zu solchen Leuten: Eine brüllend wiehernde Rotfrau und eine natürliche Botoxmimik vertragen sich meistens eher weniger gut.

Auf alle Fälle muss ich mich jetzt nicht mehr gruseln, wenn ich diesen Winter auf das vermoste Gruselhaus schauen muss 😉

Die Nachbarn luden alle Bewohner der Straße zum Fest ein. Jeder sollte Getränke und Essen selbst mitbringen, für Stühle, Tische, Kaffee und Kuchen werde gesorgt. Typisch deutsch beluden wir unseren Bollerwagen mit reichlich Essen und Trinken, denn wir waren davon ausgegangen, dass das mitgebrachte Essen/Trinken dann quasi in Buffetform für alle zur Verfügung stehen würde. Falsch gedacht. Jeder aß ausschließlich das, was er mitgebracht hatte. Zwar guckten alle neugierig auf unseren Wurstsalat, das selbstgebackene Brot und den Obaztn, aber es blieb auch dabei.

Wieder was gelernt: Mitbringpartys sind in Dänemark was anderes als in Bayern und man isst nichts von den anderen Leuten.

Beim Alkohol verlief das mit fortlaufender Stunde allerdings ganz anders. Alkohol wird in Nordjütland sehr wohl geteilt und ich hatte wirklich zu tun, die immer wieder vor mich hingestellten Schnapsgläschen dankend abzulehnen. Rotfrau war bald nicht mehr die einzige, die mit ihrem brüllenden Lachen das mit Zeltplanen bedeckte Carport erbeben lassen konnte. Die Flødebollermaskine – eine Art Schleuder für Schaumküsse, die die Schoki nach einem passend gezielten Wurf auf den Tennisballwerfer katapultierte – sorgte für mehrmaliges Gelächter. Zuerst beim Spiel selbst und dann zu fortgeschrittener Stunde, als die schwer angetrunkene Gastgeberin über den „pædagogisk lort“ ihres Ehemanns schwadronierte und sich darüber kaputtlachte, dass die Tochter nun in die Fußstapfen ihres Vaters trete, ebenfalls Pädagogin werde und sie damit weiterhin pädagogisch wertvolle Äußerungen und Rituale erleiden müsse. Bis ans Ende ihrer Tage – wo sie sich doch schon so gefreut hatte, dass mit der Verrentung ihres Mannes der „pædagogisk lort“ endlich überstanden wäre.

Die von mir abgelehnten Gläschen trank der ehemals unheimliche Nachbar, der sich nach der (gottlob) zeitigen Verabschiedung seiner undurchschaubaren Schnellsprechfrau neben mich gesetzt hatte, in freundlicher Selbstaufopferung. Er war zunehmend lustiger und unterhaltsamer. Als um halb eins noch Nachzügler vom Ende der Straße hinzukamen, war der arge Schrägstand einiger Beteiligten nicht mehr zu übersehen, doch dänische Contenance ignoriert das einfach bzw. hält sogar volltrunkene Menschen aufrecht. Obwohl der im Smoking aufgetauchte Nachzügler weder noch geradeaus gucken noch schwankfrei stehen konnte (was mag das wohl für eine Veranstaltung gewesen sein, die er vorher besucht hatte?), waren alle Beteiligten um höfliches Geplauder bemüht. Was er mir aber so freundlich ins Ohr nuschelte, das wissen die Götter. Vielleicht war es Isländisch?

Um kurz nach eins verließ ich die Feier, wurde geherzt und umarmt wie ein alter Freund. Wer weiß, wie lange die noch geplaudert und gefeiert haben, es war ja nichts zu hören. Sehr rücksichtsvoll! Jedenfalls mähte der schwankende Smoking heute brav wie immer um halb 10 den Gemeinschaftsstreifen vom Viertel auf seinem Rasenmähertraktor. Dänisch beherrscht, freundlich und ordentlich.

Skål!

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Ich bin Marion und schreibe in unserem Onlinemagazin Meermond zu den Themen Reisen, Fotografie, Kultur und unser Leben in Skandinavien.

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