Familienchaos,  Leben in Dänemark

Ich schwöre, meine Kinder sind nicht immer so!

Besuche mit Kleinkindern sind eine elterliche Grenzerfahrung. Jawohl!

Wieso bleibt man mit der heißgeliebten Brut nicht einfach drei Jahre komplett zu Hause und sichert damit der mitmenschlichen Umgebung – sprich Freundes- und Bekanntenkreis – Ruhe und intaktes Interieur zu? Familie zählt nicht, denn die ist hormonell so programmiert, dass Liebe und Zuneigung defekte Schalter und Rollläden weglächeln können.

Wie ich auf drei Jahre komme?

Damit zitiere ich indirekt die aufmunternden Worte der Kurskollegin, über die wir gestern hergefallen sind. Sobald sie nämlich im Kindergarten seien, verwandelten sich die wirbeligen Pillefinger in angeblich recht vorzeigbare Geschöpfe, die man durchaus mal der Öffentlichkeit präsentieren könne.

Ich werde berichten! Sie sind jetzt zweieinhalb…

Es ist grauenhaft, mit Kleinkindern zu jemanden zu fahren. Bereits beim Packen der Familienkutsche – mit Zwillingen im Kleinkindalter sollte man unbedingt den Kauf eines Kübelwagens oder eines Anhängers in Erwägung ziehen – schnappen die wirbeligen Zwerge die mütterliche Unruhe auf. Sie hüpfen noch bekloppter um den Haufen mit den plötzlich begehrten Packstücken herum. Es muss nämlich genau DAS Spielzeug bespielt werden, welches eigentlich in den sich bereits durchbiegenden Wagen gepackt werden soll. Genau DAS muss die kleine Patschehand unbedingt wieder aus dem logistisch geschickt gestopften Lastwagen herausgefingert werden, was die fragile Stabilität der prallen Ladung gewährleistet.

Sobald man – schneller als die Fallgeschwindigkeit – den Kofferraumdeckel zugepresst hat, setzt abartiges Gebrüll ein, welches das sowieso geplagte Trommelfell in grenzwertiges Schwingen zu versetzen vermag. Geschwind den einen Strampelbrüller in den Autositz gefesselt, den anderen in der Matschgrube im Nachbarsgarten am Ende der Straße aufgegriffen und dann rotglühend vor Erschöpfung feststellen, dass man vor der Abfahrt noch einmal an den Wickeltisch muss. Natürlich leidet das Kleinkind genau vor der Abfahrt an akutem Auslauf – Durchfall, sodass man verzweifelt nach noch salonfähiger Kleidung suchen muss. Das ist übrigens gar nicht so einfach, wenn der komplette Kleiderschrank vor der Waschmaschine, im Trockner, im Bügelkorb, in den unzähligen Wäschekörben, zu Wäschekorben umfunktionierten Umzugskartons, an der Wäscheleine und im Kofferraum des anderen Autos liegt, mit dem man am Vortag zum Strand gefahren ist…

Nachdem das Kleinkind in die auf dem Terassenstuhl gefundene Jeans gepresst worden ist – „Ich mag keine Dsinns, Mamaaaaaaa!“ – wird das mütterliche Ohr auf ein verzweifeltes Kreischen aus dem Auto gelenkt. Huuuuch, der Zwerg ist aus dem Sitz gekraxelt und hängt im Gurt! Beide gefesselt angeschnallt und fix den Motor gestartet.

Man hat noch nicht einmal die Garageneinfahrt verlassen, kommt von hinten absolut sicher ein „Ich will trinken!“

„Wir sind gleich da, dann kannst du ganz viel trinken und Erdbeeren mit Sahne gibt es dann auch!“

Hat Mama allerdings kein Navi im Auto und ist der smarte Guuugl der Meinung, es möchte aber heute nicht navigieren, dauert eine 35-Minuten-Anreise schon mal 50 Minuten, denn Nordjütlands Straßennetz ist … nennen wir es „amüsant“. Aus dem „Ich will trinken“ wird irgendwann ein nervenzerreißendes „Wäääääh!“ und es bleibt einfach nichts anderes übrig, als den Kofferraum zu öffnen und dem gegen die Heckklappe drängenden Inhalt freien Lauf zu lassen: Plopp! Alles wieder einsammeln, Trinkflasche wohlweislich mit in die Fahrkabine mitnehmen und weiterfahren. Hält mein Deo noch?

Kaffeetrinken und Plaudern gestalten sich anstrengend, da es im Fremdheim einfach viel zu viel gibt, was unbedingt ausprobiert werden muss. Kurz bevor die komplette Einrichtung und das Nervenkostüm der Gastgeber in Schutt und Asche liegen, scheucht man seine Brut nach Draußen. Oder auf den Heimweg, wo man das Telefon aus der Buchse reißt, um weitere Einladungen zu verhindern….

Nachtrag:  

Aus Erfahrung weiß ich, dass Kinder ab einem gewissen Alter außer Haus wundervoll sind und nicht einmal annähernd den Ungeheuern ähneln, die sie dann zu Hause sind! Ist das Eigenheim erst ruiniert, besucht es sich ganz ungeniert. Die heimischen Monstern verwandeln sich dann nämlich in Fremdhäusern zu richtig anständigen, braven Kinderchen! Bald sind sie drei. Und dann kommen wir! Das war eine Drohung.

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Ich bin Marion und schreibe in unserem Onlinemagazin Meermond zu den Themen Reisen, Fotografie, Kultur und unser Leben in Skandinavien.

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