Traditionen

Wohnen in Dänemark – was ist "typisch dänisch"?

Als wir uns im Herbst 2014 auf die Suche nach einem Eigenheim begaben, stellten wir uns natürlich die Frage, wie wir denn wohnen wollten. Uns schwebte ein Bungalow auf großem Grund am Rande einer Kleinstadt vor. Zwar wohnen wir am Rande, doch am Rand einer Vorstadtsiedlung und geworden ist es ein zweistöckiger Tempel. Der höchste Palast der ganzen Siedlung – seufz.

Unser Problem war, dass dänische Eigenheime oftmals ganz anders sind, als wir es von deutschen her kannten. Allein der Wunsch nach einer Badewanne war unerfüllbar: Dänen baden nicht! (klick: „Exoten in Nordjütland„)

Bungalows gibt es in Nordjütland reichlich und laut unserem damaligen Makler bevorzugen die Dänen das Wohnen auf einer Ebene. Am liebsten im gelben Klinkerbau.

Wir besichtigten also mehrere Objekte und waren immer wieder erstaunt über die Tatsache, dass die Wohnzimmer („stue“) im Vergleich zu den restlichen Zimmern überdimensional ausfielen. (In unserem Haus haben wir sogar zwei riesige Wohnzimmer!) Oftmals ist am Wohnzimmer ein Wintergarten („udestue“) angebaut, um den Gemeinschaftsraum der Familie zu erweitern. Mit der Familie Zeit zu verbringen („hygge“) spielt eine große Rolle in der dänischen Gesellschaft.

So schließen z.B. Hallenbäder am Sonntag um 16 Uhr und sogar der überfüllteste Indoorspielplatz Aalborgs leert sich nach der Kaffeezeit derart, dass man sein eigenes Lachen als Echo von den Wänden hören kann! Ab 16 Uhr geht der Däne nach Hause, was für uns immer noch etwas seltsam ist.

Das Wohnzimmer ist also in allen Häusern, die wir bisher von innen besichtigen konnten, sehr geräumig. Kinder- und Schlafzimmer dagegen sind vergleichsweise winzig! Fast schon lächerlich! Einbauschränke sind normal und werden beim Kauf übernommen, genau wie Küche und sämtliche Weißwaren. In unserem Haus stehen also zwei Waschmaschinen und zwei Gefrierschränke. Die einen geben wir wieder mit dran, wenn wir unser Haus verkaufen.

Das ist nämlich wieder typisch dänisch: In Deutschland möchte man sein Eigenheim für’s Leben, in Dänemark wird gekauft und verkauft, wie es gerade so notwendig ist. Da die Banken sich nicht so wie in Deutschland an Rückzahlungen von Krediten bereichern (mir lagen schon bitterböse Kraftausdrücke auf der Zunge!), wird hier gekauft statt gemietet, selbst wenn man das Haus nur „kurz“ bewohnen möchte.

Unser Problem beim Hauskauf war, dass wir Möbel hatten, die wir gerne benutzen wollten. Und ein in Deutschland erworbenes Echtholzkinderzimmer passt leider nicht so ohne weiteres in ein Kinderzimmer eines dänischen Durchschnittsbungalows. Einen hätten wir gefunden, aber da durften wir die gelben Klinkersteine nicht übermalen. Ich mag keine gelben Klinkersteine, da sie mich irgendwie zu sehr an Urinale erinnern. Und im Übrigen glaube ich, die vorbildliche Supersiedlung in Cremegelb war in Wahrheit das Zuhause einer Sekte. Kein Blättchen auf dem Bürgersteig und alle Hecken waren gleich. Das sollte so sein und durfte auch nicht geändert werden. Huch! Nix wie weg da und darum wohnen wir jetzt in einem undänisch aussehenden, roten Tempel an der Schlucht.

Dänen arbeiten sieben Tage die Woche und ich glaube, in unserer Siedlung gibt es nur zwei Häuser, deren Gehöft etwas „undänisch“ aussieht. Alle Gärten sind geschleckt, gemäht, geharkt und gepflegt wie in einem Bilderbuch. Dänen lieben graue, überschaubare Kiesgärten und Roundup. Letzteres gibt es in Kanistern im Baumarkt zu kaufen und es wird gesprüht, was das Unkraut aushält. Lediglich der charmante Musikernachbar und diese lauten Deutschen haben vielleicht einen Saustall…tststs… 😉

Diese fleißigen Lieschen bauen und werkeln tagein, tagaus und am Sonntag ist der Wertstoffhof rappelvoll: anhängerweise wird entsorgt und entrümpelt. Und wenn bald die langen Sommernächte kommen, dann arbeiten sie bis in die „Puppen“. Dänische Häuser werden ständig renoviert, umgebaut, umgestaltet… Bei der Gelegenheit fällt mir ein, dass wir mal streichen sollten.

Viele Grundstücke könnte man einfach betreten, wenn man wollte, denn nicht alle Gärten sind eingezäunt. Unserer auch nicht:

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Ich gebe zu, dass ich schon immer wieder den Drang habe, unseren Garten zu umzäunen.

Links des Weges schließt sich eine kleine „Schlucht“ an, in der im Sommer Kühe weiden und mehrere Nachbargrundstücke könnten wir einfach so betreten. Der typische Däne macht sowas aber nicht und er guckt im Übrigen nicht in fremde Fenster. Obwohl das so einfach wäre, denn Vorhänge sind hier auch eher unüblich. „Man hat nichts zu verbergen und man glotzt nicht in Privathäuser hinein“, so die Erklärung.  Unsere Westfront ist komplett aus Glas und man konnte von der Straße genau auf unsere Teller gucken, bis ich zwei Drittel mit Sichtschutzfolie beklebt hatte. Man muss ja nicht alle Gepflogenheiten mögen!

Als ich zum ersten Mal meine rumänische Freundin besuchen kam, wusste ich nicht, an welche Tür ich klopfen sollte. Viele Häuser haben nämlich zwei Haustüren. Eine davon führt in den bryggers – eine Waschküche. Und durch eben diese Waschküche betritt man tatsächlich viele Häuser. Der Haupteingang wird oftmals nur für besondere Gäste geöffnet. (Auf die Bilder drücken, dann kann man sie in Originalgröße sehen.) 

In Nordjütland gibt es viele große Bauernhöfe, deren Wirtschaftsgebäude oft noch das alte, weiße Eternitdach haben. Die Fenster sind halbrund und bestehen aus mehreren Einzelscheiben.

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Diese an Gutshöfe erinnernden Bauernhöfe sind meistens sehr gepflegt und weiß gekalkt. Für mich sind sie „typisch dänisch“.

Die hübschen Reetdachhäuser sind leider nicht so häufig.

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In fast jedem Dorf gibt es ein forsamlingshus, in dem die Gemeinde diverse Veranstaltungen abhält: z.B. Handarbeitskurse für Frauen, Seniorentreffs oder Männerabende. Man kann es auch für private Feiern mieten.

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Dänische Wohnsiedlungen sind ordentlich und ziemlich langweilig. Nichts besonderes also, es sei denn, es wohnen lärmende Deutsche in der Nachbarschaft 😉

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Neubausiedlungen haben den gleichen Würfelcharme wie in Deutschland – oft weißer Betonguss mit grauen Fenstern. In unserer Nachbarschaft ist ein beiger Würfel eingezogen:

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Feldsteine werden seit jeher als Baumaterial eingesetzt und so manche Kirche hat einen Sockel aus runden Gesteinsbrocken. Die Kirchenmauer unserer Gemeinde gefällt mir sehr gut:

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Die Feldsteine werden oft im Garten genutzt und auch ich freue mich über meine hübsche, kleine Gartenmauer.

Seit ich ein Kind bin, verbinde ich mit dänischen Häusern einen bestimmten Geruch. Die Holzbauweise und spezielle Farben sorgen für den typischen „Dänemarkgeruch„, auf den ich mich beim Betreten der Ferienhäuser schon jeher gefreut hatte. Und ich liebe es, dass mein Haus genauso riecht, wenn wir nach einem Tagesausflug zurück kommen.

Und wenn ich dereinst alt bin, wünschte ich mir ein Haus in Løkken. Klein, gelb und mit weißer Bank.

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Bis dahin,

Schriftzug Meermond

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Ich bin Marion und schreibe in unserem Onlinemagazin Meermond zu den Themen Reisen, Fotografie, Kultur und unser Leben in Skandinavien.

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