Leben in Dänemark

Flohmarktfloh

Vor dem gestrigen Tag hatte ich noch nie auf einen Flohmarkt verkauft und nun kann ich mit Sicherheit sagen, dass ich das auch nie wieder machen werde!
Was ist passiert? 
Eine schwangere Freundin erwartet ein Mädchen und ist wild entschlossen, ihr Kind in Samt, Rüschen und viel zu viel Rosa zu hüllen. Nicht ein einziges, untösiges (dk: tøs = Mädchen) Kleidungsstück soll das neue Familienmitglied zieren und daher schlug sie mir vor wenigen Wochen vor, mit ihr zum Flohmarkt zu fahren. Alles Bubenzeug sollte unbedingt verkauft werden, um Platz für ganz viel Mädchen zu haben.
Nun, mit Zwillingen hat man nicht nur einmal abgelegte Kleidung / Spielzeug / div. Kindersachen im Keller, sondern gleich doppelt so viel! Unser Haus ist zwar groß, aber auch das muss man ja nicht unbedingt vollstopfen.
Also auf denn zum Flohmarkt!
Der gestrige Tag begann schon unangenehm, um genau zu sein um sieben Uhr. An einem Sonntag um sieben Uhr aufstehen zu müssen, finde ich als bekennender Morgenmuffel einfach nur unmöglich. Dementsprechend verhalten reagierte ich auf das aufgeregte Gegacker meiner Beifahrerin. Meine Miene verfinsterte sich noch mehr, als ich mich in Aalborg in eine geduldig wartende Autoschlange einreihte.
Der Flohmarkt entpuppte sich als riesige Rasenfläche, auf die sich viel zu viele Autos und noch mehr Gerümpel drängten. Im Prinzip halte ich dieses Gelände ideal für derart große Veranstaltungen, aber am Samstag hatte es den ganzen Tag aus Eimern gegossen und der Boden war noch immer weich und nass wie ein Schwamm. Darauf zu fahren und zwischen den vielen, teils verwirrten Anhängerfahrern den zugewiesenen Platz zu erreichen, sorgte für erste Schweißperlen auf meiner Stirn. Und das um halb neun! Am Sonntag wohlgemerkt!
Unser Platz [die Nummern waren eigentlich nicht zu übersehen!] war bereits fremdbesetzt und so musste ich rückwärts wieder aus der Einkaufsmeile raus und dann in der Parallelmeile, also direkt an „unseren“ Platz angrenzend einrangieren. Ein Schnürchen trennte den Falschverkäufer von der morgenmuffeligen Rotfrau. Ich schwöre, ich habe diesem Mann bis zum Schluss kein einziges Lächeln geschenkt, obwohl wir uns quasi ständig in die Augen sehen konnten! Zeit genug zum Gucken hatten wir alle.
Wir bauten auf, dekorierten, waren außerordentlich kreativ und warteten auf die ersten Kunden. Und wir warteten. Und starrten die anderen Verkäufer an. Und froren.
Die Sonne schien zwar herrlich, aber der Wind war eiskalt und viel zu stark.
Um halb zehn pochte es bereits in meiner linken Schläfe. Der starke Wind setzte mir und den ausgelegten Waren zu.
Um fünf nach halb zehn hatte ich meinen Kaffee ausgetrunken.
Um dreiviertel zehn hielt ich Ausschau nach einem Klo.
Um 10 ging ich zu den zwei (!) Dixiklos, die für gefühlte 5000 Gucker und 1000 Trödler zur Verfügung gestellt waren.
Um halb elf legten wir diverse Sachen auf die teuere Markenkleidung auf dem Tisch, um nicht dauernd alles einfangen zu müssen. Banane, Mülltüten, Schnurrolle, Schere.
Der Verkauf war tragisch.
Die meisten Menschen schlenderten mit leeren Händen durch die vielen Reihen. Sie fassten alles an, guckten, plauderten, kauften aber nur ungerne. Diejenigen, die kaufen wollten, wollten eigentlich nichts dafür bezahlen!
Unser Problem war, dass wir überwiegend hochwertige Sachen verkaufen wollten.
Die Leute kaufen jeden Mist, aber nur den.
Es kann es bis jetzt nicht wirklich glauben, dass der einen Frau lachhafte 50kr für die ungetragenen Schuhe – ein unglaublich wundervolles, hochwertiges Unikat von einem Kopenhagener Kürschner (NP 1500 kr) – zu viel waren! Ich schüttelte den Kopf, als meine Freundin ihr diese 50kr vorschlug und noch mehr schüttelte ich, als die andere dann die Schuhe wieder auszog!
???
Hätte ich doch nur Größe 38! Ich hätte ihr die Schuhe nicht mal aus meinem Kofferraum ausladen lassen!
So saß ich also geduldig da, fror, verweigerte die Dixitoilette, hungerte und wunderte mich: Gegenüber wurde Dänemarks hässlichste Statue tatsächlich verkauft und ich hatte einen unerwarteten Verkaufsschlager.
Das meist berührte Objekt auf unserem Verkaufsstand war nämlich die Schnurrolle!
Garn
Jawoll, ich hätte meine Schnur mindestens 20 mal verkaufen können!
Um drei sprangen wir schließlich erleichtert ins Auto. Ab zum goldenen M gegenüber. Toilette und Nahrung!
Ich hatte nach Abzug der irre hohen Standgebühren einen Verdienst von -20kr gemacht, meine Freundin etwa +80kr. Das war kein Spaß! Wir sind beide so müde gewesen. Sie konnte nicht einmal mehr den Kuchen probieren, den wir unseren Familien auf dem Heimweg noch gekauft hatten. Sie schlief sofort auf dem Sofa ein und ich selbst erlebte auch nicht mehr, wie meine Kinder am Abend zu Bett gingen.
Es gibt Menschen, die quasi als Hobby von Flohmarkt zu Flohmarkt tingeln und alles verscherbeln, was sie irgendwo heranschaffen können. Ich kann mir das nicht ein zweites Mal vorstellen. Das war ein derart anstrengender Sonntag! Und derart vergeigt! Das Auto ist immer noch voll mit den Sachen, die ich eigentlich loshaben wollte.
Wieder war gelernt: Haste Mist zum Verscherbeln, geh zum Flohmarkt. Haste teure Sachen, stellse online.
Guten Abend.

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Ich bin Marion und schreibe in unserem Onlinemagazin Meermond zu den Themen Reisen, Fotografie, Kultur und unser Leben in Skandinavien.

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