Leben in Dänemark

Meermonds Forschungsbericht ;-)

Eigentlich hatte ich vor, eine Wand zu tapezieren, der Kleister war schon angerührt und sollte nur noch ziehen. Da hatte ich das Bedürfnis, mich besser mal ein kleines bisschen hinzulegen. Nur so kurz.
Aus dem Kurz wurden dann zwei Stunden, in denen das Bedürfnis nach „ein kleines bisschen“ immer stärker wurde. Auch große, rote Frauen fühlen sich ab und an nicht so ganz wohl in ihrer Haut, aber das ist meistens ganz fix wieder vorbei und genau darum hatte sie am Morgen nicht in der Sprechstunde ihrer Hausärztin angerufen und um einen Termin gebeten.
Und sie hätte es auch während ihres kleinen Bisschens nicht getan, hätte der gsM sie nicht telefonisch um 14 Uhr dazu gezwungen!
Eigentlich war ihr Plan, noch ein weiteres Bisschen abzuwarten und dann eventuell die Notfallsprechstunde nach 16 Uhr anzurufen. Aber der gsM war ziemlich überzeugend und noch überzeugender dann die Ärztin am Telefon.
Und hast du nicht gesehen lag ich bereits um 15 Uhr im Krankenwagen in Richtung Krankenhaus. Natürlich durfte ich ein Foto für meine Burschis machen, die bestimmt wissen wollten, wie es im Inneren eines dänischen Krankenwagens aussieht. Nämlich so:
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Ein dänischer Krankenwagen gibt normalerweise ein infernalisches Geheul von sich (gottlob durften wir langsam und lautlos fahren), wie man es aus amerikanischen Filmen kennt und leuchtet in der Farbe Neongelb. Die Gerätschaften und Halterungen waren auf Deutsch beschriftet. Sehr lustig.
In der Notaufnahme wurden mir erstmal alle Kleider ausgezogen und ich in ein weißes Tshirt und ein Bett gesteckt.
Und ab da fand ich meine Forschungen ziemlich interessant. Im Folgenden liste ich ein paar markante Unterschiede zu einem Krankenaufenthalt in Deutschland auf:

  • Keiner der Patienten trägt eigene Schlafanzüge, alle stecken in den gleichen, weißen Krankenhausklamotten. Das Operationsoutfit ist vorne und seitlich zu knöpfen, der Popo ist übrigens bedeckt:

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  • Im Zimmer sind ständig alle Türen offen. Ausnahme: Man wird gerade behandelt – Gespräche oder Nachfragen durch das Krankenhauspersonal reichen nicht für ein Schließen der Türen aus. Man kann praktisch in alle Zimmer reingucken, wenn man auf dem Gang entlang spaziert. Fand ich schon etwas befremdlich… 2
  • Das dänische Gesundheitssystem basiert auf einer persönlichen Nummer: der CPR. Wer nicht mehr sprechen kann, trägt vorsorglich ein Armband mit allen Daten und einem Strichcode. Das wird dann entweder abgescannt oder exakt mit den vorliegenden Dokumenten abgeglichen. Es wird auch keine Blutabnahme vorgenommen ohne Nennung und Überprüfung der CPR. Eine Blutgruppenbestimmung „für unser System“ wird dann durch eine andere Krankenschwester gemacht und die Tatsache, dass ich der meine Blutgruppe sagen konnte, weil ich sie kenne, reichte ihr nicht. Ich musste also nochmal die CPR runterrattern und mich dann zum zweiten Mal innerhalb von fünf Minuten abzapfen lassen. Die Schwester, die mich auszog – CPR. Die Schwester, die mich in’s Klo schickte – CPR. Die Schwester, die meine Aufnahme eintippte – CPR. Jeder mich untersuchende Arzt in der Notaufnahme – es waren drei – wollte die Nummer überprüfen, bevor er / sie irgendwas tat. Und eine Narkose für eine Operation bekommt man auch nur dann, wenn man nochmal seine CPR-Nummer abgegeben hat. Lustigerweise lag ich schon angeschnallt auf dem OP – Tisch und hatte vor Betreten des Operationssaales bereits zweimal meine CPR abgleichen lassen. Man mag da jetzt denken, die spinnen, die Dänen! Aber ich glaube, man will um jeden Preis verhindern, einen Fehler zu machen oder eine falsche Behandlung bei einem Patienten vorzunehmen. Dennoch war ich überrascht.
  • Ich hatte das Gefühl, eine Privatkrankenschwester zu haben. Noch nie bin ich derart häufig während eines Tages angesprochen worden, wie es mir gehe, ob ich was brauche, ob ich Schmerzmittel bräuchte. Ich fand mich derart liebevoll umsorgt, dass ich es beinahe genossen hätte, im Krankenhaus zu sein. Und obwohl ich nicht darum gebeten hatte, wurde meine Brandwunde am Handgelenk gleich auch noch versorgt. Ob ihr etwa mein roter Verband nicht gefallen hatte 😉 ?
  • Am Stationsgang steht ein Kühlschrank mit Eiswasser, Säften, flüssiger Nahrung (bestimmt 20 Sorten – als Imbiss?) und Joghurts verschiedener Art und Fettstufen.

SaftObst, Kaffee, Kuchen und so weiter stehen zur Selbstbedienung für alle, die schon wieder laufen können, bereit.
Wer selbst gehen kann, der muss sich sein Essen vom Buffet abholen. An einer Servierstation steht eine Schwester und gibt den Patienten das Essen, das sie sich aussuchen. Patienten mit Diät oder spezieller Nahrung bin ich nicht begegnet, ich denke aber, dass die ihr Tablett ans Bett gebracht bekommen. Am Tag nach der OP wurde mir das Frühstück und Mittagessen gebracht, das Abendessen musste ich mir dann aussuchen kommen, getragen hat es dann eine Schwester für mich. Die in Deutschland übliche Kanne Tee auf dem Nachttisch gibt es in Dänemark offensichtlich nicht. Das Essen selbst fand ich abwechslungsreich und gut. Als ich meinen Geschwistern ein Bild davon inclusive rød grød med fløde (Erdbeergrütze mit Sahne) schickte, teilten sie mir mit, dass ich damit umgehend jedwedes Mitleid verloren hätte 😉

  • Ich musste keine Einverständniserklärung im Anschluss an das Aufklärungsgespräch mit der Anästhesistin unterschreiben. In Deutschland war das jedes Mal so gewesen. Und ich möchte hiermit diesen alten Augen, die mich beinahe liebevoll blickend in Tiefschlaf versetzt haben, ein großes Lob aussprechen. Noch nie – und ich wurde bereits sechs Mal operiert – noch nie hatte ich einen derart super Blutdruck nach einer Narkose. Mir war überhaupt nicht elend und der erste Wert lag sogar bei traumhaften 111! Den zweiten konnte ich nicht lesen, aber 111! Das ist für mich gut und ich fühlte mich richtig gut beim Aufwachen. Danke, ihr lieben Augen über dem grünen Mundschutz!
  • Ich durfte sofort nach dem Aufwachen was trinken. Als ich wieder klar gucken konnte, stand eine Schwester neben mir, die mich umgehend fragte, ob ich denn Durst hätte. Ich bekam einen Becher gekühltes Wasser anstatt des albernen „Wattestäbchen“ zum Aussaugen.
  • Ich musste kein Krankenhaustagegeld bezahlen.
  • Weitere Tabletten für daheim wurden mir vom Arzt im Krankenhaus verschrieben und das „Rezept“ dazu digital hinterlegt.

Klingt nach einer positiven Erfahrung, nicht wahr? War es auch.
Mir geht es bereits wieder ziemlich gut und ich war heute mit meiner Familie sogar schon wieder am Strand.
All die negativen Erfahrungen, die ich natürlich auch gemacht habe, unterscheiden sich nicht wirklich von denen, die ich schon in Deutschland gemacht hatte. Negative Erfahrungsberichte nach Krankenhausaufenthalten gibt es reichlich im Netz, da brauche und will ich kein Wort (mehr) darüber verlieren.
 

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Ich bin Marion und schreibe in unserem Onlinemagazin Meermond zu den Themen Reisen, Fotografie, Kultur und unser Leben in Skandinavien.

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