Gedanken

Erinnerungen …

1995 hatte ich mein letztes Bild gemalt.

Es war eine gelungene Karikatur im Stil des Abendmahls und alle meine damaligen Kollegen scharten sich als Persiflage ihrer Selbst um den dem Messias gleichenden Diskothekenbesitzer.

Ich investierte viel Arbeit in dieses Bild und freute mich über den stolzen Preis, den ich dafür bekommen hatte.

Dann aber neigte sich das Studium dem Ende zu und ich war zu beschäftigt vom Leben, um je wieder zu Kohle, Kreide oder Pinsel zu greifen. Ein Teil von mir legte sich quasi schlafen.

Über 20 Jahre!

Im Sommer diesen Jahres zeigte die Buntschwägerin uns eines ihrer Bilder im Familienchat. Ich war hingerissen und verstand ihre Bescheidenheit absolut nicht. Das Bild war großartig!

Ich hatte meinem wundervollen, großen, schwarzen Mann schon hunderte Male erzählt, dass ich in einem anderen Leben ziemlich viel und eigentlich ganz gut gemalt hatte. Doch bis auf drei Bilder, die in unserem Haus noch hängen, hatte ich alle verkauft. Ich habe also keinen Nachweis mehr, außer einer einzigen Zufallsfotografie einer Auftragszeichnung im Fotoalbum.

Wenn man so viele Jahre nicht mehr gemalt hat, traut man sich dann irgendwann auch nicht mehr. Meine geliebte Kohle- und Rötelschachtel hatte ich der finnischen Künstlerin im Winter geschenkt, weil ich wollte, dass meine „Lieben“ in Händen sind, die sie auch zu nutzen wissen. Ich hatte geglaubt, sie nie wieder brauchen zu können.

Die Freundschaft zur Finnin ließ mein inneres Künstler – Ich immer lauter werden und im Sommer war es dann soweit:

Ich blickte auf den Bildschirm des Smartphones, der das Bild der Buntschwägerin zeigte und ich beschloss, endlich einmal wieder das zu tun, was ich früher so gerne getan hatte.

Und mein erstes Bild wurde ein Acrylbild: ein Birkenwald, durch den vereinzelte Teile der bedruckten Leinwand durchscheinen. Pfiffig und frech guckt also Audrey Hepburn an einer Birke vorbei, während sich ein blauer Cadillac im Himmel auflöst. Ich fühlte mich fabelhaft, als ich die Farbe über die Leinwand dirigierte, doch gleichzeitig war ich sehr unsicher. Kann ich überhaupt noch malen? Soll ich denn noch? Kann man sowas als „Malerei“ servieren?

Wie zur Antwort erhielt ich ein Geschenk von der Finnin, die sich von meinem Bild beeindruckt zeigte. Als ich das Päckchen öffnete, musste ich schon arg mit den Tränen kämpfen: Ich hielt mein Kohlen-/Rötelkästchen in den Händen und sie sagte nur: „Go on!“

Inzwischen hängen über unserem Esstisch vier eigene Bilder, vier weitere sind gerade in Arbeit und ein anderer Birkenwald ist gestern „ausgezogen“.

Dieses Mal achte ich allerdings darauf, von meinen Bildern Fotos zu machen, damit ich sie nicht vergesse:

birken

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Ich bin Marion und schreibe in unserem Onlinemagazin Meermond zu den Themen Reisen, Fotografie, Kultur und unser Leben in Skandinavien.

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