Leben in Dänemark

Hilfe, wir sind umzingelt!

Familien, Häuser und Kinder

Ich sollte mir tatsächlich einmal die Mühe machen und all die „Til salg“ – Schilder zählen, die ich auf dem täglichen Weg zum Kindergarten passiere. Inzwischen achte ich nicht mehr so darauf, da sie quasi immer und überall zu sehen sind und weil die Fluktuation einfach zu stark ist. Kaum habe ich bemerkt, dass ein Haus til salg ist, schon reißt ein neuer Besitzer die Holzterrasse seines neu erworbenen Daheims ab.

In Dänemark ist der Häusermarkt weit lebendiger als in Deutschland und dank der nicht vorhandenen Gemeinheit einer Vorfälligkeitsentschädigung wird lieber gekauft und verkauft als gemietet. Bestehende Darlehen können ganz einfach mit umziehen.

Wir wohnen in einem Viertel, in dem immer mehr Häuser älterer Ehepaare, deren Kinder bereits ihr eigenes Leben leben, verkauft werden. In unserer Straße zieht jetzt im Frühjahr wieder eine junge Familie mit Kindern ein. Vielleicht sind da ja ein paar Frechdachse dabei, die unseren Frechdachsen Gesellschaft leisten und die Straßen mit Leben füllen? Unser Viertel verjüngt sich zusehend und ich erwarte einen deutlich höheren Lärmpegel im Sommer.

Zu selbigem tragen aber nicht nur die lieben Kleinen bei, sondern die zwei frischen Pubertiere, die in diesem Winter aus ihrem kindlichen Kokon geschlüpft sind.

girl-pixabay Nachbar rechts hatte im letzten Jahr noch ein sehr stilles, freundlich lächelndes Mädchen unter seinem Dach beherbergt, inzwischen wabern heftige Gitarrensolos und dröhnende Bässe über die Zierapfelhecke.

Und als ich gestern den sonnigen Frühling in unser Wohnzimmer lassen wollte, ballerte zackiger Beat hinter den gruseligen Tannen auf der rechten Seite hervor und füllte mein Wohnzimmer umgehend mit viel zu vielen, hässlichen Dezibel.

Jeah, jetzt sind wir also umzingelt: von dröhnenden Pubertieren und wild johlenden Frechdachsen!

Mit Humor geht es leichter

In Dänemark sind Kinder im öffentlichen Leben stets präsent und willkommen. Egal, wo man hingeht, überall wird versucht, auf die Bedürfnisse von Kindern einzugehen: das fängt bei Gratiswindeln und winzigen Kinderklos an und hört bei PlayStation und Sofa vor einem Riesenbildschirm auf.

Ich fand es hier stets einfach, meine Zwillinge überall und immer dabei zu haben.

Dänen haben eine aufgeschlossenere und ruhigere Art, auch unangenehm auffallenden Kindern zu begegnen. Man hört nur selten scharfe Ermahnungen oder erntet missbilligende Blicke, wenn der liebe Nachwuchs sich so ganz anders verhält, als man es gerade lieber hätte. Ein beruhigendes „Hoooo“ ist die üblichere Reaktion – auf Unarten eigener wie fremder Kinder.

Sind also dänische Eltern besser als wir?

Sind dänische Kinder gar lieber als unsere?

Ich denke nicht.

„Kinder sind austauschbar“, sagte eine liebe Freundin vor vielen Jahren. Nach meiner Erfahrung hatte sie damit Recht. Alle Kinder haben scheinbar die gleichen Macken – hier wie dort und bestimmt auch auf der anderen Seite der Weltkugel.

Überall krähen kleine Babys, um lautstark erste Sprechversuche zu machen. Überall werfen sich kreischende Trotzköpfe auf den Boden. Überall drehen Pubertiere den Lautstärkenregler nach rechts, wenn sie sich denn mal aus ihrem Bett erhoben haben.

Und es macht irgendwie nichts, dass es so ist. Es ist weder peinlich, noch ärgert man sich darüber. Es muss wohl am dänischen Humor und einer großen Prise Gelassenheit liegen, die es mir beinahe einfach macht, auch mal mit lärmenden Krawallos durch den Supermarkt zu schlendern oder meinen brummelnden Pubertäter drei Tage in einem fremden (Eltern-)Haus bei einer endlos erscheinenden LAN-Party zu parken und ihn als müffelndes Ungetier wieder abzuholen.

Kinder gehören zum dänischen Lebensgefühl dazu: Familienzeit und Hygge sind Grundpfeiler der Kultur. Kinder sind gewollt – mit all ihren Macken und Liebenswürdigkeiten.

Bin schon gespannt, wie der diesjährige Sommersound unseres Gartens sein wird 😉

Entspannte Grüße aus dem Familienchaos,

Schriftzug Meermond klein Bilderstempel

 

 

 

 

 

 

[Bildquelle: pixabay.com]

Teilen:

Ich bin Marion und schreibe in unserem Onlinemagazin Meermond zu den Themen Reisen, Fotografie, Kultur und unser Leben in Skandinavien.

10 Comments

  • Sternenschimmer

    Schön geschrieben!

    Ich denke, nicht nur die Deutschen können sich von dem Verhalten der Dänen eine Scheibe abschneiden.
    Selber wohne ich auch in einer Wohnanlage mit Kinderspielplatz – sorry Abenteuerspielplatz mit langer Edelstahlrutsche und sehr viel Spielgeräten. Wenn im Winter Schnee liegt wird der Hügel zur begehrten Rodelbahn. Ich kann für mich sagen, es gibt nichts schöneres als glückliche Kinder. Außerdem habe ich bei den „Klängen“ die herüberschallen das Gefühl – ICH lebe noch!
    Kinder sind unsere Zukunft, also sollten wir sie gut behandeln.

    Lieben Gruß,
    Lilo

  • Jutta

    Liebe Meermond, dann rate ich dir, die Wohnzimmertür immer ganz vorsichtig zu öffnen. Wo du den Strand so liebst. Es wäre schön, wenn in Deutschland ein wenig mehr von der Haltung der Dänen (und manch anderer Länder) gegenüber Kindern abfärben würden. Ich frage mich oft, wo die Ursachen liegen. Wieder sehr interessant dein Text. Vielen Dank. Und dir ein schönes, und bestimmt kaltes, Wochenende. Jutta.

  • silberkopf

    Oh ja, ich kann mich gut an die LAN Treffen meines Sohnes mit den Kumpeln erinnern. Die hatten am nächsten Vormittag alle viereckige, leere, rote Augen die spätestens, als die Jungs auf den Rücksitz des Autos gesunken waren zufielen. Und es war bei uns noch schwieriger, weil nix Laptop..nein..20 m Kabel,8 fach Steckdosen, Monitor,PC alles musste mitgeschleppt und aufgebaut werden.

  • Heublumenkinder

    Haha das klingt super, am Ende kann man es eh nicht ändern wie es gerade ist, die Entwicklung läuft bei vielen meist ähnlich ab da heisst es nur viel vieeel Geduld haben und vllt ein bisschen Humor so wie bei euch ♡

Kommentar verfassen