Leben in Dänemark

Ausländer sein – Dinge, die ich als Auswanderer in Dänemark lernte

Wer auswandert, tut dies oft, um etwas Gewohntes zu verändern. Manche wiederum zieht es weiter, weil sie dem Ruf des Abenteuers oder dem Wunsch nach Lebensfreude folgen möchten. Auswandern ist toll – und schwer zugleich. Nach dem Auspacken der Umzugskartons steht man nämlich auf einmal in Schuhen, die man vorher vielleicht nie getragen hat. Plötzlich ist man Ausländer. Ich nehme es gleich vorweg: Jetzt beginnt ein sehr lehrreiches Abenteuer* und bei mir wiederholt es sich gerade in meiner neuen Heimat Norwegen.


Lass dir den Artikel vorlesen – Meermond liest für dich

✶ „Ich bin so froh, dass ich euch gefunden habe„, strahle ich den dunkelhäutigen Mann hinter einem viel zu vollgestellten Tresen an. Er versteht die tiefere Bedeutung meiner Worte nicht und wendet sich wieder dem Kunden vor ihm zu. Die anderen Männer im kleinen Laden mustern mich. Abschätzig? Interessiert? Ich weiß es nicht, aber ich freue mich sichtbar, dort zu sein. Eine verschleierte Frau drängelt sich resolut und eindeutig ablehnend an mir vorbei. Ihr Einkaufskorb streift mich, aber mir ist das egal. Ich bin ein Exot in dem komplett überfüllten Geschäft, in dem auffallend viele Männer rumstehen.

Auf viel zu wenigen Quadratmetern stapeln sich die exotischen Produkte bis an die Decke. Man könnte einen ganzen Supermarkt damit füllen!

Dänische Kartoffeln
Dänen essen sehr gerne Kartoffeln und Wurzelgemüse (rødfrugter).

Einkaufen in einer anderen Kultur

Ich gehe von einem Regal zum anderen und sehe mir begeistert die fremden Lebensmittel an. Ich greife zu einem Glas, in dem lange, weiße Schnüre in einer Lake schwimmen. Käse.

Ich lege das Glas in meinen Korb.

Daneben liegen Melonenkerne. Wer isst denn sowas? Ich spucke die immer aus!

Ich lege die Tüte in meinen Korb.

Bei meinem Rundgang finde ich noch weitere Dinge, die mein Interesse wecken. Sie gibt es nicht im Standartsortiment eines dänischen Supermarkts.

Genauso wie Sauerkraut. Oder Kohlrabi. Oder Kirschsaft. Oder großen Kopfsalat!

Meermond Dänemark Blog Essen Sauerkraut.jpg
Dänen mögen in der Regel kein Sauerkraut.

Das sind alles Kleinigkeiten, die wir nicht unbedingt brauchen, um gesund und mit Wohlbefinden in Dänemark zu leben.

Wir leben ein gutes Leben hier!

Doch nach einigen Jahren beginne ich, einige Geschmäcker meiner alten Heimat zu vermissen und die Auswahl im dänischen Supermarkt zu bedauern. Die Obst- und Gemüseabteilungen empfinde ich oft als eher traurig.

Die dänische Küche ist meiner persönlichen Meinung nach wenig einfalls- und abwechslungsreich. Ich lernte sie als bodenständig, extrem fleischlastig und bescheiden kennen. Kennt ihr zum Beispiel øllebrød? Das ist ein gekochter Brei aus altem rugbrød (Roggenbrot). Ich denke, man erfand das, um Geld zu sparen und um Reste zu verarbeiten. Ein sehr guter Ansatz, ⇒ aber mir schmeckte das nicht.


Lesetipp: Auswandern nach Dänemark – das solltest du wissen


Essen als Kulturgut

Jede Kultur hat ihren eigenen Geschmack. Und dazu gehören Produkte, die andere Kulturen vielleicht nicht mögen und daher nicht oder nur selten verkaufen. Das ist vollig in Ordnung, schließlich bin ich Gast in einem anderen Land. Dennoch bemerke ich verwunderliche Unterschiede.

Ich bin zum Beispiel sehr erstaunt über die Tatsache, dass Holland an Deutschland dicke, große und prachtvolle Kopfsalate liefert. Nach Dänemark liefern die selben Bauern merkwürdig kleine und nur aus wenigen Einzelblättern bestehende Exemplare. Selbige werden zusätzlich in einen mit Luft aufgepusteten Plastikwürfel (!) eingeschweißt und kosten dann lächerliche 2,60 Euro. Diese fotogen in Szene zu setzen will mir nicht gelingen.

Kopfsalat in Dänemark – traurig, winzig, im Plastikfußball.

Meine Familie braucht zwei davon – wenn ich sie überhaupt kaufen kann. In den Ferienorten an der Küste gibt es öfter Kopfsalat, aber ich fahre keine 23 Kilometer, um Salat zu kaufen! Also vermisse ich Kopfsalat. Ich könnte ihn täglich essen. Ich vermisse Kohlrabi. Gibt es den bei unserem kleinen Spar, hängt ein Schild daneben mit Anleitung, wie er gegessen werden kann. Kohlrabi steht nicht auf dem Speiseplan der Dänen.

Und manchmal vermisse ich sogar Sauerkraut.

Gäbe es einen Laden, in dem typisch deutsche Produkte angeboten werden würden, so wäre ich dort ein gern gesehener Kunde.

Ausländer sein

Ich gehe kurz gedanklich in die späten 80er Jahre in Regensburg zurück. Ich bin jung und habe noch keine Ahnung von der echten Welt: Mein junges Ich schlendert durch eine denkmalgeschützte Innenstadt. Ich entdecke einen neuen Laden. Aha, ein weiterer „Türke“ hat aufgemacht. Schöne Sachen, aber warum gibt es bloß so viele Läden bei „uns“, in denen türkische Waren angeboten werden? Warum kaufen „die“ lieber bei „sich selbst“ ein? Warum essen „die“ nicht das Obst und Gemüse aus „unseren“ Supermärkten? Was ist da anders? Und warum plaudern die dann immer alle in ihrer Muttersprache miteinander? Mit mir reden sie doch auch in teilweise richtig derbem Bairisch und sind ganz genau wie ich. Oder doch nicht?

Heute bin ich selbst ein Ausländer.

Ich schare deutsche Freunde um mich. Ich liebe es, mich auch außerhalb meiner Familie auf sprachlich sicherem Terrain zu bewegen. Wir verstehen unseren Humor, wir kennen „unsere“ Gepflogenheiten, unsere Regeln, unser Essen und unsere Gesten. Mir war nicht bewusst, wie wichtig diese wortlosen Botschaften im sozialen Miteinander sind. Und noch weniger bewusst war ich mir, wie wichtig unausgesprochene Worte in den Worten sind. Das Sprechen zwischen den Zeilen.

Unterhalte ich mich mit anderen Deutschen, muss ich nicht dauernd aufpassen, wie ich etwas korrekt und mit in Dänemark angemessenem Verhalten ausspreche.

Brot

An manchen Tagen vermisse ich deutsches Essen – und am meisten Brot.

Als Auswanderer habe ich verstehen gelernt, was mein junges Ich nicht wissen konnte. Jetzt weiß ich, warum „die Türken“ in Regensburg gerne in „ihren“ Läden einkaufen.

Weil dort ihre Kultur ist!

Es ist so herrlich einfach, sich in der eigenen Kultur zu bewegen. Entspannend. Den ganzen Tag von Neuem und Anderem umgeben zu sein, ist nämlich nicht immer leicht.

Die eigene Kultur wirft man nicht mit einem Umzug in ein anderes Land ab.

Ich lebe sehr gerne hier im Norden von Dänemark und ich versuche, sowohl Sprache als auch die dänische Kultur anzunehmen. Soweit es mir möglich ist. Denn ich gestehe hiermit öffentlich: Ich mag kein rugbrød und werde es auch nie wieder essen.

Ich bin und bleibe immer ein kleines bisschen Bayer.

Fünf Bayern in Nordjütland.

umzug dänemark leben blog meermond _.jpg
Am Tag nach unserer Ankunft in Løkken (9/2014): Auf dem Weg in ein neues Leben.

Und genau darum gehe ich jetzt zu „dem Türken in Aalborg.

Denn der hat Kohlrabi! ✶

Ausländer sein ist toll

Bei den Worten zwischen den beiden Sternen handelt es sich um einen Text, den ich 2018 verfasst habe. Damals lebten wir bereis vier Jahre in Dänemark und fühlten uns rundum angekommen. Wir hatten deutsche und dänische Freunde. Gute Freunde.

Heute ist der 11. August 2023. Inzwischen haben wir Nordjütland verlassen und wir leben in Norwegen. Die Tatsache, dass wir alle fließend Dänisch sprechen, hat es uns vergleichsweise einfach gemacht, eine zweite Auswanderung innerhalb Skandinaviens meistern zu können. Für uns ist der Einstieg in eine neue Kultur damit deutlich einfacher als es bei der ersten Auswanderung nach Dänemark der Fall war.

Dennoch stehen wir wieder vor vielen Aha-Momenten und Hürden, die es zu überwinden gilt. Inzwischen vermissen wir die Sicherheit, mit der wir uns innerhalb der dänischen Kultur zu bewegen gelernt haben. Wir hatten alles dafür getan, um uns in Dänemark integrieren zu können und ich möchte meinen, dass es uns auch gut gelungen ist.

Nun kostet es erneut Kraft, ein neues Leben zu beginnen. Neue Spielregeln, neue Menschen, neue Herausforderungen.

Doch es ist das beste Abenteuer, das mir das Leben schenken kann.

Ich kann mir kein besseres vorstellen.

Wenn auch du über eine Auswanderung nachdenkst, aber Angst vor einem Scheitern hast, so gebe ich dir zum Abschluss etwas mit auf den Weg:

Bist du als Auswanderer wirklich gescheitert, wenn du nach einer Weile wieder zurück in dein Heimatland gehst?

Du wirst viele neue Eindrücke in ein Leben mitnehmen, das dir nun als genau das richtige erscheint. Das Wissen, deinem Traum eine Chance gegeben zu haben, lässt dich wachsen. Du kannst nur gewinnen. Auswandern ist toll. Ausländer sein im Traumland ist toll, selbst wenn es nur für einen begrenzten Zeitraum ist.

Herzliche Grüße aus Skandinavien, eure auf ewig bayerische


Nachtrag

* In diesem Artikel schildere ich persönliche Erfahrungen, die sich so in etwa bei meiner zweiten Auswanderung nach Norwegen wiederholen. Ausländer sein ist nämlich spannend. Aktualisierung + Re-upload am 11.08.2023

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Ich bin Marion und schreibe in unserem Onlinemagazin Meermond zu den Themen Reisen, Fotografie, Kultur und unser Leben in Skandinavien.

66 Comments

  • Marion

    Liebe Meermond,

    vieles was du beschreibst kenne ich so auch – und dabei bin ich doch „nur“ in die Schweiz umgezogen, 2012.
    Zum Glück gibt es hier immer öfter auch mal Lebensmittel, die hier eigentlich nicht her gehören, z.B. Weißwürstl mit süßem Senf oder Brezn. Letztere sind allerdings meist lappig und nicht knusprig, wie sie gehören und wie ich sie liebe.

    Von wo aus Bayern kommst du denn?

    Liebe Grüße nach Dänemark

    • Meermond

      Ich komme aus Regensburg. Dort überschwemmen aber leider auch zunehmend labberige Großbäckereienbrezen den Markt. Wie überall haben die Kleinen, Feinen es schwer, gegen Große fortzubestehen…
      Grüße un die Schweiz ?

      • Marion

        Danke dir 🙂
        Regensburg kenne ich leider nur von Klinikbesuchen vor vielen Jahren (feine Laser zum Veröden sichtbarer Gefäße auf der Nase gab es dort). Soll aber eine tolle Stadt sein!

        • Meermond

          Regensburg ist eine wunderschöne Stadt. Als ich noch anonym bloggen durfte – vor der Datenschutzregelung – benutzte ich das Synonym „weltbeste Stadt der Welt“ für Regensburg. ?

          • Marion

            Das mit der neuen Datenschutzverordnung… Inwiefern darfst du jetzt nicht mehr anonym bloggen, das raff ich grad nicht.
            Und wieso kannst du das Synonym für Regensburg jetzt nicht mehr verwenden?

          • Meermond

            Ich verwende es schon noch, denn Regensburg ist, keine Frage, die weltbeste Stadt der Welt. ? Aber jetzt benenne ich sie abwechslungsweise auch direkt beim Namen. Mit der Datenschutzregelung werden die Daten der User in Schutz genommen, die der Blogger aber müssen gleichzeitig komplett offen gelegt werden. Warum soll ich also weiterhin verheimlichen, woher ich komme, wenn ich gleichzeitig im Impressum meine komplette Anschrift angeben muss? Der Schutz meiner Daten als Blogger wurde mit dem Datenschutzgesetz aufgehoben. Ironisch, nicht?
            Liebe Grüße in die weltbeste Stadt der Welt ♥

        • Marion

          Ach so, jetzt verstehe ich, wie du das mit Regensburg gemeint hattest 😉

          Hm, mal wieder hab ich versucht die Details der Datenschutzgrundverordnung zu überblicken und vor allem, wie sie sich auf meinen Blog auswirkt. Ein ermüdendes Unterfangen. Also ziehe ich mich erneut auf den Standpunkt zurück, dass ich in der Schweiz lebe und kein Teil der EU bin 😉

          Ja, es ist ironisch, in der Tat. Ich hoffe, du bloggst trotzdem noch mit genausoviel Freude und Begeisterung.

  • Silke

    Das hast du toll geschrieben, ich kann mir gut vorstellen, das du dich teilweise zwischen zwei Kulturen aufhälst.

    Was den Kohlrabi betrifft, soll ich dir welchen mitbringen oder was du sonst noch vermisst? Vorausgesetzt es gibt es hier in Norddeutschland. 🙂 Wir haben nämlich für Ende November gebucht.
    LG Silke

    • Meermond

      Ein riiiiiiesiges, dickdickes Exemplar Kopfsalat hätte ich wirklich gerne! Wo urlaubst du denn? Ich finde das so nett! Danke dir!
      Kennst du die „Westpakete“, die man früher in die DDR schickte? Seit meinem Artikel bekomme ich via Instagram, Facebook und nun auch hier Angebote, mich mit „Südpaketen“ zu versorgen. Tusind tak an dich. Tusind tak an alle <3

      Liebe Grüße

  • Alexandra von doublyblessedblog

    Da musste ich doch gleich an Rapunzel denken, bei so viel „Gluscht“ auf Salat 😉 Den würd ich definitiv auch vermissen. Und fehlen würde mir sicher auch der Duft nach typisch Schweizerischem Essen, der um die Mittagszeit durch die Gassen zieht und das Gefühl von Zuhause und Geborgenheit mit sich bringt.
    Sehr schön geschrieben 🙂

  • gkazakou

    ich las deine Gedanken mit besonderem Interesse, denn ich bin ja schon bald 40 Jahre lang Ausländerin in Griechenland. Das Essen macht mir allerdings überhaupt kein Problem – im Gegenteil. denn die Mittelmeerkost ist einfach köstlich.
    Anders ist es mit der Sprache und mit Denkgewohnheiten. Zum Glück spreche ich mit meinem Mann deutsch, sonst würde es mir doch sehr fehlen. Auch das Bloggen hat mir sehr geholfen, weil ich auf Deutsch kommunizieren kann. Ich spreche allerdings auch gut Griechisch, mache Lebensberatung und Aufstellungen auf Griechisch, und meine engsten Freundinnen sind Griechinnen. Manchmal arbeite ich auch mit sprachlich gemischten Gruppen, wo ich alles verdolmetschen muss. Und genau das ist spannend für mich: dieses Wandern zwischen den beiden Lebenswelten, die mich sensibilisieren für die eine und die andere Art.
    Andere nach Griechenland gezogene Deutsche bleiben freilich sehr deutsch, kaufen deutschen bzw holländischen Käse, Nürnberger Bratwürste, Knäckebrot, Müsli, deutsche Butter, ja, auch deutschen Kopfsalat! – bei Lidl, haben griechische Bekannte nur, falls die deutsch oder jedenfalls Englisch können, gehen zu deutschsprachigen Ärzten und Friseuren, fahren Autos mit deutschen Nummernschildern, schimpfen auf griechische Gesetze und lieben Griechenland eigentlich nur wegen seines Klimas, seiner Landschaften und seiner Antiken. Die griechischen Menschen dürften gerne auch fehlen.

    • Meermond

      Für meine persönliche Entwicklung war dieses Sensibilisieren so wertvoll. Ich wandere inzwischen ebenfalls zwischen den Lebenswelten und es ist, als lebte ich auf irgendeine Weise zwei Leben. Was anstrengend klingt, ist meines Erachtens bereichernd.
      Heute verstehe ich wirklich, was ich mir als ganz junge Erwachsener noch etwas unbeholfen zu erklären versuchte. Dieser Artikel hat inzwischen Aufrufezahlen erreicht, die meine Statistik sprengt. Ich wünsche mir sehr, dass vielleicht der eine oder andere Leser mit-verstehen wird. Es gefällt mir nicht, dass die Leute, die einfach nicht (mehr) verstehen wollen oder können immer lauter werden…
      Herzliche Grüße ins lebensfreudige Griechenland.

  • ann christina

    Ein sehr schöner Artikel, der mir einen alten Spruch wieder ins Gedächtnis ruft: Jeder ist Ausländer – fast überall. Ich kann alle deine Gedanken sehr gut nachvollziehen, weil ich seit ca. 10 Jahren immer wieder in verschiedenen Ländern lebe. Ich bin deutsch und ungarisch, und in Ungarn vermisse ich grüne Soße, rote Grütze und Regenwetter, in Deutschland ungarische Paprika (die es aber beim „Türken“ gibt), gutes Hummus aus dem Supermarkt und das eher trockene Klima. Interessant finde ich auch, dass sich Kultur vor allem am Essen festmacht – wenn man mit anderen „Ausländern“ spricht, fehlt immer das Essen aus der Heimat am meisten?

    • Meermond

      Essen ist Teil unserer Kultur und unserer Erinnerung. „Das schmeckt wie bei meiner Oma!“ Wer kennt das nicht? Es kann quasi unser ganzes Leben sein, das wir mit Essen in Verbindung bringen. Sowohl gute, als auch schlechte Erinnerungen. Meine Oma hat ihr ganzes Leben keine Steckrübe mehr angefasst, weil sie die immer mit dem Krieg in Verbindung setzte…
      Danke für dein Komplliment. Danke für deinen wertvollen Beitrag 🙂

  • suzyintheflow

    Du hast völlig recht, bloss durch einen Umzug in ein anderes Land wird man nicht automatisch auch „anders“ und vergisst seine Herkunft. Die eigene Kultur und Gewohnheiten liegen nicht in einem Rucksack, den wir bei Grenzübertritt ggf. einfach abgeben können. Ich bin selber auch (wieder mal) Ausländerin und selbstverständlich finde ich mein Gastland interessant, ich spreche die Sprache und interessiere mich für alles mögliche. Aber gerade Sprache und Essen sind wichtige Identifikation stiftende Aspekte und es ist nur natürlich, dass wir das auch ausleben möchten. Obwohl es in meinem Gastland Frankreich bestimmt nicht an guter Küche mangelt, lasse ich mir ab und zu von Besuch typisch Schweizerisches mitbringen. Ich stimme und wähle auch noch in der Schweiz. Das ist legitim und hat mit Integration, oder fehlender Integration, absolut nichts zu tun. Diese kann und sollte parallel dazu erfolgen. Es ist ohne weiteres möglich zwei Hüte anzuhaben und am Leben von zwei verschiedenen Ländern teilzunehmen und es wertschätzen.

  • Ann

    Ich finde es völlig in Ordnung, manche Dinge im neuen Land auch abzulehnen und andere beizubehalten. Die Vergangenheit ist Teil Deiner Identität.LG Ann?

        • Meermond

          Das ist in der Tat eine Haltung, die nicht unproblematisch ist. Aber da ich diese Haltung nicht habe, kann ich mich in derartige Gedanken nicht hineinversetzen. Das müssen andere Blogger übernehmen, da wage ich mich nicht ran.

          • Ann

            Ich bin vielen begegnet, die ihre Heimat mitnehmen wollten und enttäuscht waren, dass es nicht geht und empfanden am Ende das Andere in der neuen Kultur schlechter als das, was sie aus ihrer Heimat kannten. Klar bist Du nicht eine von der Sorte. ?

          • Meermond

            Heimat mitnehmen kann man nicht. Man muss sein neues Daheim zu seiner Heimat werden lassen. Das ist sehr sehr schwer und manche schaffen das wirklich nicht. Zurück kehren? Ich denke mal etwas globaler: Was, wenn man nicht zurück kann? Kniffliger Gedankengang…?

          • Ann

            Ich verrate es Dir. Wenn Du lange weg warst, verändert es Dich, da das Neue Teil von dir wird. Du bist dann nicht mehr die Person, die Du warst, als Du Deine Heimat verlassen hast. Heimat wird irgendwann ein Platz im Herzen und dort, wo Menschen sind, die Dir wichtig sind. *Philosophie Mode aus*?

          • Meermond

            Ich bin schon verändert. Und das finde ich ziemlich gut! Ich habe nicht nur eine phänomenal weite Aussicht hier, sondern erlebt, was „Horizont erweitern“ wirklich bedeutet. ?
            Übrigens philosophiere ich gerne mit dir. Oje, was werden wir dereinst einen Haufen Rotwein brauchen….

          • Ann

            Yeps….und das war viel Arbeit und nicht immer einfach, denke ich mir. So war es jedenfalls bei mir. Tief im Herzen bist Du in Deutschland wahrscheinlich eine dänische Deutsche und bei Dir eine deutsche Dänin.
            Ja, den Rotwein und die Bank habe ich nicht vergessen. ….und werde ich auch nicht…..?

          • Meermond

            Du sprichst aus Erfahrung.
            Ich bin eine Bayerische Dänin – oder dänische Bayerin. Je nachdem.
            Auf alle Fälle werde ich die coolste weiße Bank Dänemarks haben. ?

          • Meermond

            Ich werde dereinst eine große Bank haben. Ein Plätzchen für (deinen) Marc Aurel werden wir sicher noch haben…Außerdem sind auf vielen Fotos auch immer drei Leute auf der Bank 🙂

  • Ewald Sindt

    Es ist das eine, in einem anderen Land zu leben und sich mit der Kultur und den Lebensumständen anzupassen, aber ab und an kommt die Sehnsucht nach „heimischen“ Produkten auf. Dann gibt es nur eines, so schnell wie möglich befriedigen. Schon ein mal daran gedacht, einen Lebensmittelmarkt mit typisch deutschen Produkten zu eröffnen… ???
    Hier ein Rezept für Brotsuppe: https://www.chefkoch.de/rezepte/114741048249532/Suesse-Rosinen-Brotsuppe.html?utm_source=com.apple.UIKit.activity.CopyToPasteboard&utm_medium=Social%20Sharing%20CTA&utm_campaign=Sharing-iOS

    Ich esse sie noch heute gerne…
    Lieben Gruß, Ewald

  • Elke Janicke

    Hej Meermond
    Das mit dem Roggenbrot kenne ich noch von meiner Kindheit….Meine Mutter machte noch Rosinen rein….das ganze nannte sich….
    BROTSUPPE MIT ROSINEN
    Komm gut über den Herbst…l.g.elke

  • Hannelore

    Hej! Toll geschrieben! Du sprichst mir mit deinen Worten aus der Seele.
    Ich empfinde wie du! Sind von Österreich nach Nordfriesland gezogen nahe der dänischen Grenze!
    Schreibe weiter, ich mag deinen Blog!

  • Stella, oh, Stella

    Das ist ein schöner Artikel. Ich fühle mich allerdings nicht so gedrängt mich kulturell allzusehr anzupassen, denn das machen die im Ausland lebenden Dänen auch nicht. Daran sollten sie hier mal denken, nämlich wie viele Dänen im Ausland leben und wie man gerne möchte, dass die dort behandelt werden … 😉

    • Stella, oh, Stella

      Inger Støjberg (die so genannte Integrationsministerin, die jetzt durch verminderten Dänisch-Unterricht die Integration verhindern will, damit man Leute „rechtmässig“ wieder abschieben kann) würde wahrscheinlich argumentieren, dass die Ausland-Dänen ja in Dänemark leben könnten, wenn sie wollten.

    • Meermond

      Ich will ja auch keine Dänin werden, erkenne aber, dass wir uns in Vielem anpassen. Eben weil wir unseren Kindern ein hier „normales“ Leben bieten möchten.
      Ich denke, das tun viele Ausländer auf ihre ganz persönliche Weise. Egal, welche Nation und welcher Wohnort. Man tut, was im eigenen Rahmen möglich ist und auch als sinnvoll betrachtet wird.
      Verständnis und Rücksichtnahme erscheinen mir leider als zunehmend schwindendes Kulturgut. Das wäre gerade heutzutage immer wichtiger…

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